Augen auf beim Taxikauf

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Taxi
Das „Vieraugengesicht“ wird langsam selten

Ein ehemaliges Taxi scheint ein gutes Schnäppchen zu sein für alle, die ein relativ aktuelles Auto für kleines Geld erwerben wollen. Die teils biblischen Laufleistungen und der Allgemeinzustand können aber auch Probleme bringen.

Schnäppchen mit hoher Laufleistung

Wir alle sind schon mehr oder weniger oft mit einem Taxi irgendwo hin gefahren, frühmorgens zum Flughafen, nachts angeheitert von der Bar nach Hause oder zum Firmentermin vom Bahnhof ins Hotel. Taxis sind meistens relativ aktuelle Modelle, und eigentlich werden die erst verkauft, wenn der Kilometerzähler wirklich spannende Geschichten erzählen kann. Also ein Kilometererzähler ist. Auch ich habe dieses Experiment einst gewagt, mit einem Modell, was inzwischen schon ein Oldtimer ist. Damals war der Wagen noch relativ jung und entsprechend teuer.

Taxi
Da geht was rein. Mercedes T-Modelle sind Raumwunder

Kilometerkönige ohne Wartungsstau

Die Baureihe 210 von Mercedes-Benz, das „Vieraugengesicht“, hat in vielen Varianten einen gewissen Hang zu Rost. Schon damals. Trotzdem wollte ich einen haben, denn gerade als Kombi ist das Ding ein wahres Space-Shuttle! Robuste Motoren, gut zupackende Bremsen und eine allgemein recht reparaturfreundliche Technik sprechen auch bei hoher Laufleistung für den Versuch. Vor rund 10 Jahren gab man für das T-Modell noch locker 6000 € aus. Der ins Auge gefasste sollte aber nur 650 € kosten. Wenig Rost, ein Jahr TÜV, 2,9 Liter Turbodiesel Fünfzylinder mit Automatik und insgesamt in einem guten Zustand. Allerdings schon mit 630.000 Kilometern auf dem Tacho. Man kann vermuten, dass hier nichts manipuliert wurde.

Taxi
Wettbewerbsfähige Kilometerstände!

Hauptuntersuchung jährlich

Die Meinungen gehen weit auseinander, wenn es um gebrauchte Taxis geht. Solange der Wagen einem Einzelunternehmer gehört hat, kann man davon ausgehen, dass der sein Arbeitsgerät grundsätzlich gepflegt und gewartet hat. Bei einer Taxiflotte mit wechselnden Fahrern sieht das gleich ganz anders aus. Für einen grundsätzlich gesunden technischen Zustand spricht bei einem Taxi, genau wie bei anderen Fahrzeugen zur Personenbeförderung, dass einmal im Jahr eine Hauptuntersuchung stattfinden muss. Es guckt also alle 12 Monate ein kritischer Mensch auf den Zustand des Fahrzeugs. Normale Verschleißteile wie Bremsen, Achsschenkel und Fahrwerksbuchsen sind bei so einer Laufleistung längst schon mehrfach neu gemacht worden.

Taxi
Nicht schön, aber bequem.

Motoren, die niemals kalt werden

Ebenfalls für den guten Zustand zum Beispiel des Motors spricht, dass ein Taxi eigentlich nie wirklich kalt wird. Anders als der Privatwagen, der die Nacht über in der Garage friert und morgens mit noch zähem Öl unter Zeitdruck zur Arbeit getreten wird, verdient man mit einem Taxi nur Geld, wenn es fährt. Also sorgt man dafür, dass es das möglichst permanent tut, und das ist gut für den Motor. Der große Turbodiesel ist die meiste Zeit im Stadtverkehr und über die angrenzenden Dörfer gelaufen. Er springt sofort an und nagelt das klassische Mercedes-Lied, diesen typischen Taxi-Klang, den jüngere Menschen bald nicht mehr kennen werden. Es klingt vertrauenerweckend, irgendwie so wie „Papa kommt nach Hause“.

Motor
Der Turbodiesel gilt als unzerstörbar

Alles etwas ausgeschlagen

Auch das Automatikgetriebe hat schon diverse Spülungen und ATF-Wechsel hinter sich, alles ist in einer dicken Mappe dokumentiert worden. Trotzdem fühlt sich eine Karosserie, die schon über 600.000 Kilometer auf deutschen Straßen hinter sich hat, irgendwie „weich“ an. Und auch alles andere hat diese Laufleistung, wenn es nicht einmal getauscht wurde. Alles ist gefühlt etwas ausgeschlagen und hat mehr Spiel als normal. Hier bricht mal ein Cupholder ab. Da lässt sich ein Seitenspiegel nicht mehr verstellen. Und die Lampen fallen bei diesem Modell sowieso ständig aus, das wird einem dann im Display gesagt und die Suche nach dem Täter fühlt sich an wie Ostern.

Reifen
Mehr Platz gibt’s sonst nur im LKW

Es war halt ein… Taxi

Die Farbe kann man mögen, muss man aber nicht. Wenn man sich mit diesem Beige arrangieren kann, muss man später die MB-Tex Sitze gutheißen. Dieses schwarze, kunstlederige und pflegeleichte Material ist absolut nicht schick und noch viel weniger plüschig. Es ist vor allem abwaschbar und hat über die Jahre den Geruch von tausenden fremder Menschen aufgenommen. Mindestens der Fahrersitz hat dazu einen Menschen während der gesamten Zeit getragen, der ist also normalerweise ein Fall für den Polsterer. Das stört alles nicht? Na dann… kann man eigentlich nur noch sagen: Los los, worauf wartet ihr?

Taxi
Die Farbe verrät das Leben davor

Selbermachen unabdinglich

Bei einem Auto, was schon die Strecke bis zum Mond und wieder zurück gefahren ist (oder ungefähr 15 Mal die Erde umrundet hat) wird immer etwas zu tun sein. Und je neuer die ehemaligen Personenbeförderungsmittel sind, desto mehr Elektronik ist auszulesen. Diese Arbeiten alle an eine Werkstatt abzugeben wäre der finanzielle Kollaps. Deshalb rechnen sich Taxi-Experimente, wenn überhaupt nur, wenn ihr selbst viele Reparaturen erledigen könnt. Wer wagt es oder hat es mal gewagt?

Armaturenbrett
Meilenkönig im Alltagsverkehr

Mercedes-Benz E-Klasse (W 210) Taxi
Karosserieversionen: Limousine, Kombi
Ottomotoren: 2,0–6,3 Liter (100–298 kW)
Dieselmotoren: 2,0-3,2 Liter (55–145 kW)
Länge/Breite/Höhe: 4.830/1.799/1.450 mm
Leergewicht: 1.440-2.010 kg
Produktionszeitraum: 1995-2002

Taxi
Soll ich? Oder soll ich nicht?