Neuwagen einfahren: auch heute noch sinnvoll?

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Neuwagen einfahren
© GettyImages / Bernhard Lang

Neuwagen einfahren: Früher war das richtige Einfahren von Neuwagen üblich. Trotz des technischen Fortschritts ist ein schonender Umgang auf den ersten Kilometern auch heute noch sinnvoll.

 

Warum muss man einen Neuwagen einfahren?

Das Einfahren von Neuwagen ist sinnvoll, weil verschiedene mechanische Bauteile nach der Produktion noch nicht aufeinander eingelaufen sind. So haben beispielsweise die Kolbenringe unter anderem den Zweck, die Abwärme des Kolben an den Zylinder abzugeben. Voraussetzung dafür sind möglichst große Kontaktflächen – was voraussetzt, dass Kolbenring und Zylinderbohrung perfekt aufeinander abgestimmt sind. Auch die deutlich präziseren Fertigungsprozesse bei heutigen Neuwagen können nicht verhindern, dass sowohl Kolbenringe als auch Zylinderbohrung nicht optimal ineinander laufen. Die Fertigungstoleranzen sind in den letzten Jahrzehnten zwar deutlich geringer geworden, es gibt dennoch keine perfekte Abstimmung ab Werk. Wenn Sie Ihren Neuwagen während der ersten Kilometer weniger stark belasten und die Drehzahl erst allmählich erhöhen, dankt Ihnen das Fahrzeug den umsichtigen Umgang durch höhere Leistung, geringeren Kraftstoffverbrauch und eine maximale Lebensdauer. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist die Einfahrzeit aber immerhin stark verkürzt.

 

Wie sollten Sie einen Neuwagen einfahren?

Wie bereits angedeutet, sind es vor allem Motor und Getriebe, die eingefahren werden müssen. Aus diesem Grund sollten Sie Volllast-Einsätze auf den ersten 2000 km nach Möglichkeit meiden. Die Drehzahl sollte bei Benzinern etwa 4500 U/min und bei Dieseln etwa 3500 U/min nicht überschreiten, bis Sie diese Strecke absolviert haben. Bei Automatikfahrzeugen sollten Sie demzufolge auf den Kick-Down verzichten. Danach können Tempo und Maximaldrehzahl nach und nach gesteigert werden. Diese allmählich ansteigende Belastung ist übrigens ebenso sinnvoll und notwendig, damit das Auto auch die volle Leistungsfähigkeit erreicht. Wer den eigenen Wagen immer nur moderat bewegt, wird auch durch eine niedrigere maximale Leistung bestraft. Grund dafür ist auch hier das Einlaufen von Kolben und Zylindern. Am oberen Totpunkt, also der höchsten Stellung des Kolben, können sich Absätze bilden, die dafür sorgen, dass höhere maximal Drehzahlen nur unwillig erreicht werden.

Armaturenbrett
© GettyImages / Peter Dazeley

Auch zu niedrige Drehzahlen beim Neuwagen einfahren schädlich

Allerdings: Zu niedrige Drehzahlen und starke Belastungen sollten ebenso vermieden werden. Idealerweise bewegen Sie den Motor in einem Drehzahlbereich, indem er sich wohlfühlt und willig Gas annimmt. Hierfür kann es durchaus sinnvoll sein, die Schaltempfehlungen auch einmal zu ignorieren. Welcher Drehzahlbereich hierfür optimal ist, ist von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich – am besten hören Sie hier auf ihr Bauchgefühl. Insbesondere gilt auch für einen jungen Motor, dass hohe Belastungen nach dem Kaltstart vermieden werden sollten. Auch wenn dies nicht mehr von jedem Autohersteller vorgeschrieben wird, ist es sinnvoll, den ersten Ölwechsel vorzuziehen. Der Grund: Der Abrieb an den mechanischen Bauteilen fällt während der Einfahrzeit besonders hoch aus. Diese feinen Partikel sorgen wiederum für stärkeren Verschleiß bei der Schmierung, was sich durch einen Ölwechsel verhindern lässt.

 

Wie müssen Bremsen eingefahren werden?

Bei neuen Bremsen tragen die Bremsbeläge noch nicht vollständig auf den Bremsscheiben. Dies ist nicht nur bei einen Neuwagen der Fall, sondern auch nach jedem Bremsentausch. Aus diesem Grund ist die Bremswirkung zunächst geringer, was Sie in jedem Fall durch eine vorausschauende Fahrweise kompensieren müssen. Natürlich lassen sich Gefahrenbremsungen nicht gänzlich vermeiden. Dennoch sollten Sie wenn möglich nur moderat verzögern. Denn wenn nur ein Teil des Bremsbelags Kontakt mit der Scheibe hat, wirkt die ganze Kraft auf eine sehr kleine Fläche, die sich überproportional stark erhitzt. Dadurch kann es zur sogenannten Verglasung der Bremsbeläge kommen – mit dem Effekt, dass die betroffenen Stellen glatter werden und die Bremswirkung sich weiter verringert. Auch die Bremsscheibe selbst ist bei einem Neuwagen womöglich noch nicht vollständig ausgehärtet. Hier kann es durch eine übermäßige Erhitzung zum Verzug der Bremsscheiben kommen, was Sie an einem pulsierenden Bremspedal bemerken können.

 

Was müssen Sie hinsichtlich des Fahrwerks beachten?

Insbesondere neue Stoßdämpfer sind ab Werk zumeist recht stramm verbaut und noch schwergängig. Die Federn arbeiten zudem nicht perfekt mit den neuen Dämpfern zusammen. Prinzipiell ist es schwierig, hier durch eine bestimmte Fahrweise gegenzusteuern. Wenn möglich sollten Sie allerdings auf übermäßige Belastungen und das Befahren schlechter Straßen während der ersten 1000 km verzichten. Beachten Sie in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Fahrkomfort erst auf das Optimum einstellt, wenn der Neuwagen eingefahren ist.

 

Wie müssen neue Reifen eingefahren werden?

Dass neue Reifen eingefahren werden müssen, sollte Autofahrern bekannt sein. Denn nach dem sogenannten „Backen“ in der Reifenfabrik müssen die Reifen aus der Form gelöst werden können. Dies wird – genau wie beim Backen zuhause – durch einen Trennmittel erreicht, welches eine ölige Schicht auf dem neuen Reifen hinterlässt. Während der ersten 200-300 km muss diese Schicht abgefahren werden, damit der Reifen die maximal mögliche Bodenhaftung auch erreicht. Insbesondere auf nassen Straßen müssen Sie deshalb einen längeren Bremsweg einkalkulieren, damit Sie nicht in gefährliche Situationen geraten. Auch die Kurvengeschwindigkeiten sollten für diesen Zeitraum verringert werden.

Neuwagen einfahren
© GettyImages / borchee

Fazit: Die ersten Kilometer sollten Sie vorsichtig zurücklegen

Am Ende zeigt sich also: Das Neuwagen Einfahren ist auch in der heutigen Zeit sinnvoll. Die Toleranzen insbesondere in Motor und Getriebe mögen deutlich geringer sein, als dies noch vor einigen Jahrzehnten üblich war. Dadurch verringert sich die Einfahrzeit deutlich, und auch die Gefahr von Motorschäden wie Kolbenfressern ist deutlich geringer als früher. Trotzdem handelt es sich um mechanische Bauteile, die aufeinander einlaufen müssen und dies am besten bei moderater Belastung tun. Wenn Sie also planen, den Neuwagen lange zu fahren und von einer optimalen Leistung sowie einen geringen Kraftstoffverbrauch profitieren wollen, sollten Sie auch einen aktuellen Neuwagen noch einfahren. Vorsicht ist übrigens auch bei Bremsen und Reifen sinnvoll, denn an beiden Stellen wird noch nicht sofort die volle Leistungsfähigkeit erreicht – mit entsprechend kritischen Folgen für die Verkehrssicherheit. Nach etwa 3000 km ist das Neuwagen einfahren allerdings vollständig abgeschlossen und Sie können das Potenzial Ihres Fahrzeugs voll ausschöpfen.