Mit New Edge Design und standfesten Motoren kam im Herbst 1998 der Ford Focus nach Europa. Wer hat ihn noch auf dem Schirm? Ab diesem Jahr ist es mit dem Modell vorbei.
Der, der mal ein Escort war
In den 90ern war die automobile Welt vielleicht nicht in Ordnung (denn damals, anders als immer wieder behauptet, war nicht wirklich alles besser) – aber sie war eindeutig bescheidener und übersichtlicher. Der seit 1967 gebaute Ford Escort sollte mit dem ganz neuen Focus einen würdigen, unkapriziösen Nachfolger bekommen, der sich in die New Edge Designlinie einfügte. Auf den ersten Blick sah er aus wie ein Ford Ka, den man auf die Streckbank gespannt hatte.

Auf den zweiten Blick stand hier zwar ein Auto mit (immer noch) gewöhnungsbedürftiger Optik, aber einem tapferen Herzen. Die klassische Schräghecklimousine mit drei (DBW) oder fünf (DAW) Türen bekam wenige Monate nach dem Verkaufsstart noch eine in Spanien gefertigte viertürige Stufenheckversion (DFW) und einen Turnier (DNW, bei Ford heißen Kombis klassisch „Turnier“) nachgelegt. Die überschaubare Welt der kompakten Alltagshelden war somit für den Ottonormalverbraucher komplett, und die Kundschaft griff beherzt zu.

Mehr Focus braucht der Alltag nicht
Die Focus-Familie ist noch immer sehr präsent, in Deutschland sind allein von der MK1 genannten ersten Serie aktuell über 700 Fahrzeuge im Angebot. Einige davon befinden sich allerdings in einem fragwürdigen Zustand. Erwartet man mindestens ein paar Monate HU und eine grundsätzliche Fahrbereitschaft, sind es immerhin noch 160 Focusse.

Rund um die Jahrtausendwende war der Ford Focus das meistverkaufte Fahrzeug der Welt, im Jahr 2005 zählte der Konzern den 10millionsten produzierten Kompakten (Escort und Focus zusammen genommen). Da bleibt was von übrig, das bedeutet als Folge preiswerte Ersatzteile und vor allem eine gute und große Auswahl. Selbst der perfekteste Focus mit der geringsten Laufleistung kostet heute nicht mehr als 4.000€.

Benzin oder Diesel – eine Glaubensfrage
Für die Ottonormalverbraucher: Der Focus ist in allen Varianten übersichtlich zu reparieren. Es gibt vier „normale“ Benziner mit Saugrohreinspritzung und zwei mit mehr Bumms, den ST und den RS. Alle haben einen Zahnriemen und die typischen Problemchen. Thermostatgehäuse werden undicht, das Leerlaufregelventil verdreckt und sorgt für einen unrunden Motorlauf, Zündspulen sterben im Alter eher und die Abgaskrümmer zischen seitlich aus der Dichtung.
Für die Rudolfselbstzünder: Bei den aufgeladenen Dieselmotoren könnt ihr euch zwischen Direkteinspritzung und Common-Rail entscheiden. Die Einspritzpumpen und Nockenwellensensoren können Probleme machen, ein defekter Turbolader oder ein kaputtes AGR können einem schon mal die Laune verderben. Wenn das leidige Zweimassenschwungrad kaputt geht, ist schnell der Preis für die Anschaffung überstiegen. Das kennt man auch von anderen Herstellern.

Allen Triebwerken sagt man nach, dass sie bei einem minimalen Wartungsaufwand sehr hohe Laufleistungen erzielen und robust, aber recht durstig sind. Fahrkomfort und Geräuschentwicklung sind auf dem normalen Kompaktwagenniveau – im Maßstab der anfangenden 2000er. Aber das ist okay. Wer sich heute einen Ford Focus kauft erwartet keinen Luxus, sondern einen preiswerten Lastesel für jeden Tag, der einen nicht mit piependen Assistenzsystemen patronisiert.

aukasten mit ausreichendem Fahrkomfort
Der frontgetriebene Tausendsassa steht auf einem ausgereiften Fahrwerk mit einzeln aufgehängten Hinterrädern. ABS, vier Airbags und elektrische Fensterheber vorn waren Serie, zusätzlich ließen sich noch weitere Goodies wie Tempomat, Sitzheizung (herrlich…), Bordcomputer und Klimaanlage ordern. Bei dem Gebrauchtwagenangebot kann heute also jeder entspannt definieren, wo genau die Prioritäten liegen.
Die üblichen Ersatzteile wie Bremsen, Abgasanlage, Antriebswellen oder Zahnriemenkits sind wie bei solchen Millionensellern üblich preiswert, auch viele Teile des Interieurs gibt es entweder noch neu oder beim Verwerter bzw. in Onlinebörsen.

Heute aktuell, morgen vorbei
Zu einem Ford Focus kann man aus heutiger Sicht immer noch sagen: Läuft 😊 Der Wagen bringt einen zügig von a nach b, lässt sich intuitiv fahren und bedienen und stellt seinen Besitzer nicht vor unlösbare Rätsel. Wir waren ein paar Tage mit dem viertürigen Schrägheck unterwegs, und am Ende hat der richtig Spaß gemacht. Autos, die einfach nur funktionieren, entspannen einen wirklich nachhaltig. Wer also Spaß am Selbstschrauben hat und nicht viel Geld ausgeben will, bekommt mit dem Ford Focus einen treuen und genügsamen Begleiter für fast alle Lebenssituationen. Umso trauriger ist es, dass dieses Modell, genau wie schon der Ford Fiesta, auslaufen wird. Die neuen Ford Modelle werden von den USA aus geplant, die Elektrifizierung wird weiter vorangetrieben und mit dem Millionenseller Ford Focus endet 2025 vermutlich auch das Werk in Saarlouis, wo er aktuell noch gebaut wird. Holt euch noch schnell einen!

Ford Focus 1.4
Baujahr: 2003
Motor: R4 Benzin
Hubraum: 1.388ccm
Leistung: 75PS bei 5.000/min
Max. Drehmoment: 123NM bei 3.500/min
Getriebe: 5-Gang Schaltgetriebe
Antrieb: Vorderräder
Länge/Breite/Höhe: 4200/1702/1450mm
Leergewicht: 1150kg
Beschleunigung: 0-100 in 15,1s
Top Speed: 171km/h
Wert: 1.000€ – 3.000€