Magneti Marelli – Automobilzulieferer mit wechselvoller Geschichte

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Magneti Marelli
© GettyImages / gorodenkoff

Magneti Marelli, heute kurz Marelli, ist einer der führenden Automobilzulieferer. Schon sehr früh in seiner Geschichte war das 1891 von Ercole Marelli gegründete Unternehmen teilweise mit FIAT verbunden. Seit 1967 gehörte Magneti Marelli schließlich zu 100 Prozent zum FIAT Konzern. Heute beliefert Marelli nicht nur FIAT, sondern seit der Fusion mit dem japanischen Automobilzulieferer Calsonic Kansei im Jahr 2019 praktisch jeden Automobilhersteller weltweit. 49 Produktionsstätten und rund 30 Forschungs- und Entwicklungszentren in mehr als einem Dutzend Ländern zählen heute zum Konzern (nur Marelli ohne Calsonic Kansei). Der Geschäftsbereich Automotive Lighting von Marelli ist der weltweit zweitgrößte Hersteller von Autoscheinwerfern.

 

Magnetzünder – Meilenstein in der Automobilentwicklung und für Magneti Marelli

Das vielleicht wichtigste Produkt in die Geschichte von Magneti Marelli und eines der bedeutendsten für die Entwicklung von Kraftfahrzeugen war der Magnetzünder. Der Magnetzünder versorgte die Zündkerzen von Kraftfahrzeugen mit der für eine einwandfreie Zündung erforderlichen Spannung. Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach dem Ersten Weltkrieg dominierte Bosch den Markt für Magnetzünder.

Der italienische Autohersteller Fabbrica Italiana Automobili Torino, kurz Fiat, versuchte, sich trotz des vergleichsweise kleinen italienischen Marktes international zu profilieren. Mit wenigen lokalen Automobilzulieferern begann Fiat praktisch zur gleichen Zeit wie Bosch mit der Produktion vieler Automobilkomponenten. Darunter Magnetzünder, die in Italien nicht nur in PKW- und LKW-Motoren, sondern auch in Industrie- und Motorradmotoren verwendet wurden. Für die Luftfahrtindustrie waren Marellis Magnetzünder von strategischer Bedeutung.

Im Oktober 1919, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, gründeten Fiat und Ercole Marelli ein Joint Venture namens Fabbrica Italiana Magneti Marelli (Fimm). Ercole Marelli, das ursprüngliche Unternehmen des gleichnamigen Firmengründers wurde 1891 gegründet, existierte zu diesem Zeitpunkt also fast schon 30 Jahre. Ercole Marelli war zum Zeitpunkt der Gründung von Fimm Italiens größtes Elektrotechnikunternehmen.

Das Startkapital für das neue Unternehmen betrug 7 Millionen Lira. Darin enthalten war die Ercole Marelli-Fabrik in der Nähe von Mailand in Sesto San Giovanni. Nach nur drei Jahren war das neue Unternehmen zu 100 % aufgebaut und betriebsfähig. Bereist 1922 wurde eine französische Tochtergesellschaft in Paris gegründet. Ein Jahr später folgte ein Unternehmen mit Sitz in London. Zu dieser Zeit stellte Marelli im größeren Umfang auch andere elektrische Geräte wie Lampen und Dynamos her. Zunehmend positiv entwickelte sich auch das 1920 begonnene Engagement im Automobilrennsport.

 

Umstrukturierung und Gründung eine Luftfahrtabteilung

1924 erfolgte die erste große Umstrukturierung des Unternehmens und die Gründung einer eigenen Luftfahrtabteilung. Bis zum Ende der 1920er Jahre wurde das Produktprogramm von Magneti Marelli erheblich erweitert. Neu ins Portfolio aufgenommen wurden Zündkerzen für Flugzeuge, Scheibenwischer, Batterien und Hupen. Eine Beleuchtungs- und Zündsteuerung für Motorräder namens »Magluce«, in Englisch »Maglight« wurde in dieser Zeit ebenfalls erstmals produziert. Nicht alle neuen Produkte waren Eigenentwicklungen von Marelli. Viele wurden als Lizenzprodukte von anderen Entwicklern hergestellt. Ebenfalls bis zum Ende der 1920er Jahre wurde die Produktion von Magnetzündung zugunsten von Verteilern weitestgehend aufgegeben. Verteiler waren damals deutlich günstiger in der Herstellung, zuverlässiger und weniger reparaturanfällig als die großen Magnetzünder.

 

Fertigung von Grammofonen und Radios ab 1919

1929 eröffnete Marelli eine weitere Produktionsstätte. Die neue Fabrik diente der Produktion von Grammofonen und Radios für den italienischen Markt. Mit diesem Schritt öffnete Marelli die Tür zum noch jungen Markt für Radios und später Fernsehgeräte. Radiomarelli entwickelte sich schnell zu größten Hersteller von Radios und Fernsehgeräten in Italien. Den Anfang machten Lizenzgeräte von Bosch USA. Es dauert jedoch nicht lange, bis Radiomarelli eigene Geräte entwickelt und produziert hat. Ein paar Jahre später ging Radiomarelli eine langjährige Vereinbarung mit der Radio Corporation of America (RCA) ein. Diese Vereinbarung sah vor, dass Radio Marelli sowohl Radios als auch Filmproduktionsgeräte für den amerikanischen Markt herstellen sollte. Darüber hinaus stellte Fimm in diesen Jahren noch eine ganze Reihe weiterer Lizenzprodukte anderer Marken wie Westinghouse und Marconi her.

Erst 1963 stieg Magneti Marelli wieder aus dem Geschäft mit professionellen Telekommunikationsgeräten aus. Die Anteile wurden an Marelli Lenkurt SpA verkauft. Marelli Lenkurt SpA waren ein nur 3 Jahre zuvor gegründetes Joint-Venture von Magneti Marelli und General Telephone and Electronics International. 1972 folgte die Einstellung der Produktion von Radio- und Fernsehgeräten für Endverbraucher. Die ab dieser Zeit von anderen Herstellern produzierten Geräte wurden jedoch noch unter dem Markennamen Radiomarelli verkauft. Schließlich wurde das Endkundengeschäft von Radiomarelli 1975 endgültig aufgegeben und verkauft.

 

Marellis frühe Erfahrungen mit Kfz-Elektronik

Bereits Anfang der 1960er-Jahre war Elektronik erstmals ein großes Thema bei Marelli. In diese Zeit fielen zudem erneut große Umstrukturierungen des Konzerns. Unter anderem wurde die Vergaser Produktion von Frankreich nach Spanien verlegt. Bei vielen Automobilherstellern in Westeuropa wurden Vergaser zunehmend durch mechanische und auch elektronische Kraftstoffeinspritz-Systeme abgelöst. Ab Mitte der 1960er-Jahre wurden daher immer weniger Vergasermotoren für PKW produziert. Durch die Verlagerung der Produktion nach Spanien wurden Vergaser im Unternehmen Marelli gewissermaßen aufs Abstellgleis verschoben. Schon 1968 stellte Marelli sein erstes elektronisches Zündsystem mit Namen Dinoplex vor, das zunächst vornehmlich in Autos von Fiat eingebaut wurde. 1983 wurde schließlich die elektronische Zündung Digiplex zum Standard Zündsystem für alle Fiat Automobile.

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FIAT – Magneti Marellis wichtigster Kunde

1999 gründete Magneti Marelli mit Bosch das Joint Venture »Automotive Lighting«. Automotive Lighting entwickelte sich innerhalb von wenigen Jahren zu einem der größten Hersteller von Scheinwerfern und Rückleuchten für Kraftfahrzeuge weltweit. Ein paar Jahre nach der Gründung erhöhte Marelli seinen ursprünglichen Anteil von 50 Prozent auf eine Mehrheitsbeteiligung von 74,9 Prozent. Marelli Automotive Lighting entwirft, entwickelt und integriert ein vielfältiges Angebot mit Lösungen für die externe Fahrzeugbeleuchtung sowie innovative Sensoren zur Unterstützung zukünftiger Funktionen wie beispielsweise die LiDAR-Sensortechnologie.

Insgesamt erzielte Marelli 1999 einen Umsatz von ca. 4,1 Milliarden Euro (3,4 Milliarden US-Dollar). 83 % dieses Umsatzes konnte Marelli in Europa erwirtschaften. FIAT war zu dieser immer noch der mit Abstand größte Kunde von Marelli. Auf den italienischen Autobauer entfiel Anfang der 2000er-Jahre mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes. Zudem hielt die FIAT SpA bis Mai 2000 70 Prozent der Unternehmensanteile von Marelli. Pläne von FIAT, das Unternehmen zu verkaufen, scheiterten. Auch der Visteon Corp., eine Tochter der Ford Motor Company, gelang es nicht, Marelli Ende des Jahres 2000 zu übernehmen.

Anstatt das gesamte Unternehmen zu verkaufen, wurde Marelli aufgeteilt. Das Klimaanlagengeschäft ging im Wert von 430 Millionen Dollar an den japanischen Konkurrenten Denso Corp. Marelli veräußerte auch sein Instrumententafel-, Schmiermittel- und After-Market-Geschäft. Zu den neuen Geschäftsbereichen im Jahr 2000 gehörte die Produktion von Fahrwerken für Fiat PKWs.

Auch in den Folgejahren entfiel ein Großteil des Magneti Marelli Umsatzes auf Fiat. Im Jahr 2005 war Fiat mit einem Umsatzanteil von etwa 44 % immer noch die Nummer Eins unter den Kunden von Marelli. Der nächst größte Kunde war PSA Peugeot-Citroen, gefolgt vom VW-Konzern und DaimlerChrysler. Mitte der 2000er Jahren wurden verschiedene Unternehmensbereiche zum Teil mehrfach hin- und hergeschoben. So übertrug beispielsweise Fiat Mitte des Jahrzehnts eine Produktionslinie von Marelli zunächst auf ein anderes Tochterunternehmen.

 

Expansion nach China und in die USA

Anfang der 2000er-Jahre war Marelli im Grunde sehr gut international aufgestellt. Nur in zwei Absatzmärkten konnte das Unternehmen nur einen verschwindend kleinen Marktanteil vorweisen. In den USA und in China war Marelli praktisch nicht vertreten. Aus diesem Grunde wurden Mitte der 2000er Jahre verstärkte Bemühungen unternommen, um die Marelli Produkte in die diesen beiden wichtigen Automobilmärkte bekannt zu machen. Nach der Gründung einer Fabrik für Kombiinstrumente in Guangzhou begann das Unternehmen daher im Jahr 2005 mit der Herstellung von Leuchten in einem Werk in Zentralchina. Marelli investierte auch in den US-Markt, auf dem es seit den 1970er Jahren in geringem Umfang aktiv war. 2003 wurde der US-Hauptsitz von Marelli von North Carolina in die Gegend von Detroit verlegt, um näher an den Kunden zu sein.

 

Flex-Fuel Kraftstoff-Systeme für die Automobile der Zukunft

Magneti Marelli war für lange Jahre einer der führenden Hersteller von Kraftstoffmanagementsystemen in Brasilien. Das Unternehmen belieferte dort mehrere verschiedene Autohersteller, darunter auch »Volkswagen do Brasil Indústria de Veículos Automotores Ltda« oder kurz »VW do Brasil«, die brasilianische Tochter des VW-Konzerns. Marellis »Flex-Fuel« Systeme waren von besonderem Interesse für das Land. Brasilien hatte bereits sehr früh Kraftstoffe mit einem hohen Anteil Ethanol aus regenerativen Rohstoffen als Mittel zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen eingeführt.

Die SFS-Technologie (Software Flex-Fuel Sensor) von Marelli, die 2003 in Brasilien eingeführt wurde, ermöglichte es Autos, mit jeder Kombination von Benzin oder Ethanolalkohol zu fahren. Das in Brasilien entwickelte System verwendete Daten von bereist vorhandenen Motorsensoren, um den richtigen Zündzeitpunkt für den Kraftstoff zu bestimmen. Einige Jahre später führte Marelli die TetraFuel-Technologie ein, mit der auch komprimiertes Erdgas durch den Einsatz eines speziellen Injektors als Kraftstoff genutzt werden konnte. Interesse an der Technologie gab es auch in China, das nach Möglichkeiten suchte, die Umweltverschmutzung und den Benzinverbrauch zu reduzieren.

Durch die kontinuierliche und schnelle Weiterentwicklung von elektrischen Antrieben sind die Kraftstoff-Managementsysteme von Marelli für die Nutzung von regenerativen Biokraftstoffen etwas in den Hintergrund gerückt. Ob die Systeme aktuell noch weiterentwickelt werden, ist nicht bekannt.

 

Aktuelle Geschäftsbereich von Magneti Marelli

2019 – Fusion von Magneti Marelli mit Calsonic Kansei

Im Laufe seiner über 100-jährigen Geschichte hat Magneti Marelli einige Veränderungen und Umstrukturierungen erlebt. Die größte Veränderung liegt aber erst wenige Jahre zurück. 2019 wurde bekannt gegeben, dass der japanische Automobilzulieferer Calsonic Kansei und Magneti Marelli zu einem Unternehmen verschmelzen. Durch diese Fusion haben sich zahlreiche Synergieeffekte ergeben, da beide Unternehmen in unterschiedlichen Bereichen als Automobilzulieferer tätig gewesen sind.

Calsonic Kansei war einer der führenden Hersteller für Klimaanlagen, Wärmetauscher, Kompressoren und komplette Innenausstattungen für Kraftfahrzeuge. Magneti Marelli war dagegen auf Elektronik, Fahrwerke oder Einspritzsysteme fokussiert. Im Zuge der Zusammenlegung der beiden Unternehmen erfolgte eine Namensänderung. Aus Magneti Marelli und Calsonic Kansei wurde ganz einfach Marelli. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 62.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Umsatz des neuen Unternehmens zusammen betrug im Jahr 2019 rund 10,6 Milliarden Euro.

 

Aktuelle Geschäftsbereiche von Magneti Marelli

Marelli ist aktuell ein sehr breit aufgestellter Automobilzulieferer mit weltweiten Kunden. Zu den wichtigsten Geschäftsbereicen den sogenannten »Key Product Areas« gehören Fahrzeugbeleuchtung, Elektronik, elektrische Antriebe, Innenraumdesign, Fahrwerkstechnik, Motorsport und andere mehr. Der Motorsport ist eines der ältesten Geschäftsfelder von Marelli. Seit 1919 ist Marelli dem Motorsport treu geblieben. Das Unternehmen entwickelt elektronische und elektromechanische Systeme für zwei- und vierrädrige Rennfahrzeuge. Beliefert werden alle Spitzenteams in den wichtigsten Motorsport Klasse.